Gemeinsame Haushaltsrede der Fraktionen der CDU, SPD, GRÜNE, UWG und FDP im Rat der Stadt Bergneustadt
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Ratskollegen, sehr geehrte Bürger von Bergneustadt,
der Haushaltsplan 2016 liegt uns zur Verabschiedung vor. Werfen wir aber zunächst einen Blick zurück in das Haushaltsjahr 2012. Wir hatten Einnahmen von 37,7 Millionen und Ausgaben von 45,3 Millionen, also ein Defizit von 7,6 Mio. Euro. „Wir standen immer dicht am Abgrund, und jetzt sind wir einen Schritt weiter. Der Aufprall findet in diesem Jahr (2012) statt, wir stecken bis über beide Ohren im Sumpf“ beginnt seinerzeit eine Haushaltsrede.
2012 ist aber auch das Jahr der Verabschiedung des Stärkungspaktgesetzes, das Lob und Kritik erhalten hat. Die Pflicht zur Haushaltssanierung wurde in diesem Gesetz festgeschrieben. Das Land gewährt den betroffenen Kommunen finanzielle Hilfen, für unsere Stadt sind das ca. 1,5 Mio. € pro Jahr, verpflichtet aber auch den erstmaligen Haushaltsausgleich 2016. Im Jahre 2012 hat der Rat mehrheitlich das Sanierungskonzept zum Stärkungspakt unter Berücksichtigung aller damals absehbaren Faktoren mit einem maximalen Grundsteuer B-Satz von 959 % beschlossen. Bereits 2011 hatte der Stadtrat in einer gemeinsamen Resolution die Unterfinanzierung kritisiert und vor den Folgen gewarnt.
Die Ursachen unserer schwierigen finanziellen Lage sind vielschichtig. Es gibt sicher nicht nur die eine Ursache. Neben objektiven Nachteilen gesellen sich hausgemachte Dinge ebenso wie strukturelle Nachteile dazu. Eine schwierige Topographie erschwert und begrenzt die Erschließung von Gebieten. Das Versäumnis und die Schwierigkeit ausreichend Gewerbe- und Industrieflächen zu haben, führt zum Abwandern von Betrieben und begrenzt die Neuansiedlung. Die notwendige Sanierung unser Schulen über das PPP Projekt belastet unsere Haushalte genauso wie immer weiter steigende Umlagen von Kreis und Landschaftsverband. Die geringe Steuerkraft unserer Stadt aus Einkommen und Gewerbe macht uns abhängig vom System der Schlüsselzuweisungen, die letztlich einen Ausgleich zwischen starken und schwachen Kommunen, dem Land sowie dem Bund schaffen sollen. Die stetig wachsenden gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die von der Kommune getragen werden müssen, bedürfen einer ausreichenden Finanzierung für diese Aufgaben.
Der vorliegende Haushaltsentwurf 2016 sieht Einnahmen von rund 49 Mio. Euro und Ausgaben von ebenfalls rund 49 Mio. € vor, wobei die Einnahmen die Ausgaben geringfügig übersteigen. Der geforderte Haushaltsausgleich wäre demnach zunächst geschafft. Der Entwurf sieht darüber hinaus eine Rückführung von Verbindlichkeiten, also einen Schuldenabbau, von rund 2,5 Mio. Euro vor.
Die objektiven Daten des Haushalts 2016 scheinen zu stimmen. Ausgeglichener Haushalt und Abbau von Schulden, das liest sich gut. Aber wie jede Medaille zwei Seiten hat, hat auch dieser Haushalt seine andere Seite. Der Ausgleich wird nur über eine massive Erhöhung der Grundsteuer B erreicht. Die von der Verwaltung am 21.10.2015 angekündigten 1.465 % Punkte sind zwar vom Tisch, weil die Kosten für Flüchtlingsunterbringung zum großen Teil vom Land und Bund übernommen werden, aber es verbleiben auch nach der Neuberechnung noch 1.255 % Punkte.
Der Anstieg von des Grundsteuer B-Satzes von 959 % auf 1.255 % war von uns weder
vorhersehbar noch beeinflussbar. Diese. geplante Steuererhöhung wäre sozialpolitisch nicht ausgewogen. Die jährliche Belastung ist erheblich und wird einzelne Bürger überfordern. Insbesondere Eigentümer von Einfamilienhäusern, wie junge Familien, die in den letzten Jahren gebaut haben, werden überdurchschnittlich belastet. Die Grundsteuer B ist eine Substanzsteuer, die nur maßvoll eingesetzt werden darf. Die Höhe dieser Grundsteuer muss die Wohnraumkosten berücksichtigen. Die Grundsteuer B als eine Haushaltsausgleichssteuer zu benutzen, überdehnt den Zweck und die Art dieser Steuer. Die hohe Grundsteuerbelastung erschwert den Verkauf von Immobilien und senkt deren Verkehrswert. Die Altersrücklagen der Bürger sind dadurch auch gefährdet. Darüber hinaus gibt es grundsätzliche Bedenken, das Instrument der Grundsteuer zur Haushaltssanierung einzusetzen. Eine überhöhte Grundsteuer B verletzt den Grundsatz
einheitlicher Lebensverhältnisse und ist sozial nicht zu verantworten. Im Weiteren bestehen erhebliche rechtliche Bedenken gegen die Steuer und deren geplante Höhe. Der Bundesfinanzhof als höchste Instanz in Steuersachen hat die Grundsteuer dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorgelegt.
Die Bürgerinitiative, die sich gegen die massive Erhöhung der Grundsteuer B wendet, hat mit ca. 6.000 Unterschriften ein klares Signal der Bürger gesetzt, dass die Grenze erreicht ist. Die Ratsfraktionen haben bereits mit der Verabschiedung des Sanierungsplans im Jahre 2012 die Grundsteuer B nur begrenzt als Mittel der Haushaltssanierung angesehen. Diese Grenze ist mit den vorgeschlagenen 1.255 % Punkten deutlich überschritten.
Dem vorgelegten Haushaltsentwurf 2016 kann daher nicht zugestimmt werden.
Was kann der Stadtrat alternativ machen? Können wir höhere Zuweisung vom Bund oder Land festlegen? Können wir die Umlagen bestimmen und senken? Können wir weitere kommunale Steuern massiv erhöhen?
Unsere Entscheidungsmöglichkeiten sind beschränkt, wir haben bereits seit 2009 den Haushalt auch mit externer Hilfe vom Bund der Steuerzahler und der Gemeindeprüfungsanstalt auf Einsparmöglichkeiten überprüft. Das Einsparpotential ist weitestgehend ausgereizt. Weitere denkbare Einsparungen sind nur sehr gering. Externe sagen, der Haushalt gleiche einer ausgequetschten Zitrone. Eine massive Steuererhöhung bei der Gewerbesteuer würde zur Abwanderung der Betriebe führen und im Ergebnis keine Einnahmen bewirken, sondern das Problem verstärken. Der Abbau von Infrastruktur ist auch kein geeigneter Weg. Bildung und Schulen sind ein Muss für die Zukunft unserer Stadt und ohne öffentliche Verwaltung geht es auch nicht. Wenn sich der eine oder andere Bürger in die Nachbargemeinde wünscht, sollte man sich auch deren Zahlen genauer anschauen. Im Gummersbacher Haushalt steht noch ein deutliches Defizit. Gleicht man es über die Grundsteuer B aus, kommt man auch dort schnell auf deutlich höhere Grundsteuer B %-Punkte.
Was wird dieser Rat heute verabschieden?
Wir halten an unserem ursprünglichen Sparkonzept fest. Die maximale Höhe der Grundsteuer B soll mit 959 % Punkten als oberste Belastungsgrenze für unsere Bürger Bestand haben. Wir haben unsere Sanierungshausaufgaben gemacht und können nicht mit der Grundsteuer die vielfachen externen Einflussfaktoren abarbeiten.
Das Neue kommunale Finanzsystem, das 2008 bei uns eingeführt wurde, ist ein prinzipiell zu begrüßendes Haushaltssystem und führt langfristig zu mehr Generationengerechtigkeit. Auch die Sanierungspflicht für kommunale und staatliche Haushalte ist der richtige Weg. In der Realität führt der Zwang zum Haushaltsausgleich aus eigener Kraft dazu, dass schwankende Schlüssel- zuweisungen und Steuereinnahmen sowie steigende Umlagen durch Grundsteuer-erhöhungen aufgefangen werden müssten.
Mit der Verabschiedung dieses Haushaltes mit einem Grundsteuer B Satz von 959% verpflichten wir uns, an unserem Sparkonzept weiter umzusetzen und es im Detail anzupassen. Gleichzeitig setzen wir mit der folgenden Resolution unser politisches Gewicht im ganzen Land ein und fordern wir eine Anpassung des Stärkungspaktgesetzes fordern, eine Reform der Gemeindefinanzierung, eine Einbeziehung der Umlageverbände in die Konsolidierungspflicht der Kommunen sowie eine landesweite Obergrenze in NRW für die Höhe der Grundsteuer B zur Sicherung einheitlicher Lebensverhältnisse.
Jede einzelne Fraktion hat politische Zugeständnisse machen müssen um zu einer gemeinsamen Presseerklärung, einer gemeinsamen Haushaltsrede, einer gemeinsamen Resolution und um zu einem einstimmigen Beschluss zu kommen. Bürgermeister, Bürgerinitiative und Stadtrat müssen beim weiteren Vorgehen mit einer Stimme sprechen. Die Fraktionen werden den Haushalt 2016 mit einem Grundsteuer B-Satz von 959 % Punkten, ansonsten unverändert, beschließen.
Meine Damen und Herren, abschließend danken wir hiermit allen Mitarbeitern der Verwaltung für ihre gute Arbeit an der Aufstellung dieses Haushalts. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.